Es wurde still in der Aula der Brüder-Grimm-Schule, als der 95-jährige Zeitzeuge, vor rund 100 Schülerinnen und Schülern der 10. Jahrgangsstufe zu sprechen begann. „Die Propaganda hatte uns im Griff“, sagte er mit fester Stimme – und nahm die Jugendlichen mit auf eine bewegende Reise in seine Kindheit und Jugend im Dritten Reich.
Im September 1944, mit gerade einmal 14 Jahren, wurde er als sogenannter Kindersoldat an die Front geschickt – an die Maas in den Niederlanden. „Zum Glück musste ich nicht kämpfen. Ich war nur für die Versorgung der Soldaten mit Lebensmitteln zuständig“, erzählt er. Trotzdem sei diese Zeit für ihn prägend und erschütternd gewesen. „Es war ein Feldzug der Grausamkeit. Menschen starben auf allen Seiten.“
In Holland geriet er schließlich in Gefangenschaft – in ein Lager, das er rückblickend „Babycamp“ nannte. Nur wenige Tage später durfte er zu seiner Mutter zurückkehren. „Das war ein großes Glück“, sagt er.
Seine Familie war vom Krieg schwer getroffen: Der Vater fiel bereits 1939 in Polen, sein ältester Bruder 1944 nahe Kiew. Die Mutter, politisch kritisch gegenüber dem NS-Regime, durfte nicht einmal offen trauern. „Hätte sie sich allzu sehr geäußert, wäre sie sicherlich für die Gestapo interessant geworden“, erinnert sich der Zeitzeuge.
Er sprach offen über seine Abscheu gegenüber den damaligen Parolen: „Führer, Volk und Vaterland“ – das hat mich angewidert.“ Geliebte Menschen hätten auf dem sogenannten „Feld der Ehre“ ihr Leben gelassen – ein verklärender Begriff, der das Leid und die Grausamkeit verschleiern sollte.
Seit dieser Zeit ist er bekennender Demokrat und Pazifist. „Ich kann den Schmerz, die Zerstörung und die Verluste in den heutigen Kriegen sehr gut nachempfinden“, sagte er und appellierte an die Jugendlichen, sich für Frieden, Demokratie und Menschlichkeit einzusetzen. Für ihn ist klar: „Das Ermächtigungsgesetz war der Schlüssel zur Macht – mit ihm hat Hitler die Grundrechte abgeschafft.“
Dankbar ist er für die heutigen Freundschaften mit ehemaligen Feinden: „Dass wir heute Partnerschaften mit den Westalliierten pflegen – das hätte ich damals nicht für möglich gehalten.“
Zum Abschluss seiner eindringlichen Schilderung wünschte sich Herr Lesch, der 40 Jahre im Polizeidienst in NRW tätig war, „gewaltlose Schulen und ein aktives Erinnern“. Viele der Jugendlichen verließen die Veranstaltung nachdenklich – bewegt von seiner Geschichte, die sich zwar vor 80 Jahren zutrug, aber in ihrer Warnung aktueller nicht sein könnte. – T. Paar